Bienenbewegung
Der Bienenkunstraum Pollinium nahm die Form eines gigantischen Pollenkorns an. Künstler*innen, Imker*innen und Architekt*innen gestalteten es als Bienenstand, hängender Garten und Ausstellungsraum. 2012 lebten dort ein Jahr lang städtische Honigbienen und konnten besucht werden. Das Haushaltsjahr der Bienen nennt sich Bienenjahr – ein jährlich wiederkehrender Rhythmus. Er schenkte dem Projekt seine eigene natürliche Dramaturgie.
Urbane Gemeinschaftsgärten und Stadtimkerei setzten 2012 in ganz neuer Dimension in Berlin an. Der Prinzessinnengarten hatte sich 2009 gegründet. In den Zeitungen erschienen vereinzelt neue Porträts von Stadtimker*innen. Bienenbewegung erforschte im Pollinium diese Ansätze einer neuen Urbanität und formulierte Möglichkeiten und Schönheiten eines behutsamen Zusammenlebens mit Honigbienen in der Stadt. Das Bienenkunstprojekt wurde konzipiert und geleitet von den Künstlerinnen und Imkerinnen Elisa Dierson, Erika Mayr, Silke Riechert und Katja Marie Voigt.
Wie Wanderimker*innen auf dem Land wanderte das Pollinium durch Berlin. Zu alten, traditionellen Gartenorten und neuen mobilen Gemeinschaftsgärten: dem Prinzessinnengarten am Moritzplatz, dem Allmende-Kontor auf dem Tempelhofer Feld, Landschaftspark Herzberge, der Kleingartenkolonie POG im heutigen Park am Gleisdreieck und dem Schulgarten der Vineta-Grundschule im Wedding. Kinder, Jugendliche und Erwachsene konnten den Bienenkunstraum vom Frühsommer bis Herbst 2012 in den Gärten besuchen und mittels Kunst und Ökologie zur Situation der Bienen in der Stadt mitarbeiten.
Bienenkompass – Beitrag der Künstler*innen Anja Bodanowitz, Oscar Ardila Luna und Niko Wolf in Zusammenarbeit mit den Teilnehmerinnen der Schilleria. Aufnahme Oscar Ardila Luna.
In der Bienenbeute nach Warré bauen die Bienen ihre Waben im Naturbau. Sie fliegen aus und ein und bestäuben Blüten im Flugradius von bis zu fünf Kilometern. Besucher*innen konnten die Bienen beobachten, am Flugloch und durch Fenster. Im Laufe des Sommers wächst das Ablegervolk auf vier Zargen. Zum Höhepunkt lebten darin 35.000 Wesen. In einer Wissensbeute hängen anstelle von Rähmchen Wissenstafeln. Die obere Zarge enthält Tafeln zum Lesen und Studieren. Die untere Zarge Tafeln zum Einscannen mit QR-Code-Wabenmustern.
Die Hängenden Gärten des Polliniums folgen dem Weg der Bienen durch die Sprache. Wer im Bienenkunstraum Einkehr hält, betritt die Raumarbeit beautifully social. Eine Inventur der Kulturgeschichte der Bienen, die als reduziertes Ornament und Minimalgedicht in die bepflanzten Wandflächen des Baus eingehängt ist. Der Ausdruck beautifully social – nach dem Bienenforscher Thomas D. Seeley – ergibt den Titel dieser Raumarbeit von Silke Riechert. Er vermittelt den ausgeprägten sozialen, „demokratischen“ Charakter des Bienenvolkes.
My Honey spricht man sich noch heute zärtlich an. Mein Schwarm sagt man verliebt. Die hängenden Gärten sind mit der Begriffswelt der Bienen und der Imkerei in mehreren Sprachen beschrieben. So rufen sie die Jahrtausende alte Präsenz der Honigbienen in unseren Gesellschaften wach. Für die Gestaltung des Ornaments aus Pflanztaschen wurden die Farben blau und gelb gewählt – es sind Farben, die das Bienenauge besonders gut wahrnimmt.
Der städtebauliche Entwurf Berlin Bienenstadt ist Ausblick und Zukunftsvision. Katja Marie Voigt erzählt darin die Geschichte, wie sich Mensch und Biene als Nachbar*innen in den Massenwohnungsbauten der Moderne niederlassen. Die gleichförmigen Hochgeschösser werden mit organischen Formen überwuchert und dadurch neue Freiräume und Erholungszonen erschlossen. Dahinter steht die radikale Idee einer Allianz zwischen Mensch und Honigbiene, die über die reine Versorgung mit Nahrung hinausgeht.
Konstruktion des Polliniums auf dem Moritzplatz.
Die Künstlergruppe finger aus Frankfurt am Main (Florian Haas und Andreas Wolf) steuerte den Mikro-Ausstellungsraum no money no honey ihres Neuen Museums für Bienen bei. Der Ausstellungsraum sitzt oben auf dem Bienenstock auf. „Für Bienen“ wird bei dem Neuen Museum für Bienen ganz wörtlich genommen, denn sämtliche Ausstellungsräume des Museums sind in erster Linie für den Besuch der Bienen ausgelegt.
Der Titel des speziell für Bienenbewegung konzipierten Ausstellungsraums: no money no honey lässt sich auch in umgekehrter Richtung: no honey no money lesen. Er bezieht sich dabei auf die ökonomischen Zusammenhänge der Stadtimkerei und der Bestäubungsleistung der Bienen, die sie zu unserem drittwichtigsten Nutztier krönt. Nach dem Öffnen der Klappe stand es den Bienen frei, zu den festen Öffnungszeiten ihren Museumsraum zu befliegen.
Regelmäßig fanden die beliebten Schönen Abende bei Bienenbewegung statt. Besucher*innen und Beteiligte kamen im Pollinium zusammen, um den Vorträgen der Imkerin Erika Mayr zu lauschen und sich auszutauschen. Dazu reichten wir Milch und Honig, Wasser und Wein.
Info
Bienenbewegung – Bestäuben und Vernetzen
Konzeption und künstlerische Direktion: Elisa Dierson, Erika Mayr, Silke Riechert, Katja Marie Voigt.
Organisatorische Leitung: Elisa Dierson. Leitung künstlerische Vermittlung: Silke Riechert. Fachliche Leitung Imkerei und Gartenbau: Erika Mayr. Architektur Pollinium: Katja Marie Voigt.
Gefördert von dem Berliner Projektfonds Kulturelle Bildung.
Mit künstlerischen, imkerlichen und gärtnerischen Beiträgen und Workshops von: Oscar Ardila, Alexandra Becker (Social Seeds), Anja Bodanowitz, Elisa Dierson, Gruppe finger (Florian Haas und Andreas Wolf ), Çağla İlk, Erika Mayr, Reinigungsgesellschaft (Martin Keil und Henrik Mayer), Silke Riechert, Verda Sindiran, Niko Wolf, Katja Marie Voigt.
Gartenstandorte in Berlin: Prinzessinnengarten am Moritzplatz (Kreuzberg), Allmende-Kontor auf dem Tempelhofer Feld (Neukölln), Landschaftspark Herzberge (Lichtenberg), Kleingartenkolonie POG am Gleisdreieck (Kreuzberg / Schöneberg), Schulgarten der Vineta-Grundschule (Wedding).
Partnerschulen und ‑jugendeinrichtungen in Berlin: Vineta-Grundschule (Wedding), Club der internationalen Raumforscher (Wedding), Evangelische Schule Berlin Zentrum (Mitte), Schilleria Mädchentreff (Neukölln), Jugendfreizeiteinrichtung MFG – Multikulturelle Freizeit im Gartenhaus (Lichtenberg), Hagenbeck Schule (Pankow), Robert Blum Gymnasium (Schöneberg), Freie Schule am Mauerpark (Wedding).
Mit Beteiligung von: Norbert Enneking – Bauingenieur. Elene Göttler – Assistenz Projektleitung, Besucher*innenprogramm Pollinium. Steef van Lent – Recyclingmobiliar, Besucher*innenprogramm Pollinium. Markus Mrugulla – Grafik Wissensbeute. Adam Slowik – Grafik Wissensbeute. Söke Sofia Tonat – Assistenz Projektleitung, Besucher*innenprogramm Pollinium. Mai Tran – Besucher*innenprogramm Pollinium. Stefan Wehrmeyer – Technische Betreuung Projektwebsite. Philipp Weiss – Besucher*innenprogramm Pollinium.
Katalog: http://kunstwerkstadt-berlin.de/bienenbewegung_2013/
Bildnachweise Bienenbewegung
Abb. 2, Bienenkompass – Aufnahme Oscar Ardila Luna.
Alle weiteren Aufnahmen Katja Marie Voigt.
Vielen Dank den Helfern des THW Berlin-Neukölln.